Stoizismus / Stoiker
Unsere Stoiker behaupten, in der Natur gebe es zwei Prinzipien, die alles bewirken, Ursache und Materie. Die Materie liegt untätig da, eine Masse, die zu allem bereit ist, die, wenn niemand sie in Bewegung setzt, in Ruhe verharrt. Die Ursache aber, das heißt die Vernunft, formt die Materie, wendet sie, wohin sie will und bringt aus ihr verschiedene Werke hervor. Es muss also etwas sein, woraus etwas entsteht, sodann etwas, wodurch etwas wird. Letzteres ist die Ursache, ersteres die Materie.
– Seneca –
Der weise Mann der Stoiker ist ein Ideal, das heißt ein Mensch, der nur in der Fantasie und in völliger Übereinstimmung mit der Idee der Weisheit existiert. So, wie die Idee eine Regel liefert, so dient das Ideal als Archetyp für die vollkommene und vollständige Bestimmung der Kopie. So dient uns das Verhalten dieses weisen und göttlichen Menschen als Handlungsmaßstab, mit dem wir uns vergleichen und mit dem wir beurteilen können, was uns helfen kann, uns zu bessern, auch wenn die Vollkommenheit, die es verlangt, von uns niemals erreicht werden kann.
– Kant, Kritik der reinen Vernunft –
Das Leben ist bedauerlich kurz, denn es erlaubt uns nicht genügend Versuche, um so weise werden zu können, wie wir es uns wünschen. Stoische Philosophie ist ein Ausgleich – ein Ersatz für die Zeit bzw. deren Simulation. Stoizismus bedeutet, Weisheit in Aussicht zu stellen, obwohl man die Wiederholungen überspringt; er ist der Versuch, durch Nachdenken einige der Lektionen, Immunitäten und andere Charakterzüge zu erhalten, die wir auf natürliche Weise erwerben würden, wenn wir lange genug leben würden.
– Der Stoizismus ist die Philosophie der tausend Versuche –